Die stabilste Internetwährung ist Relevanz

Die stabilste Internetwährung ist Relevanz

Jetzt hab ich schon in der Überschrift das Fazit verraten. Etwas, was man nach Meinung von vielen Social Media Beratern ja nicht tun darf. Würde es nach denen gehen, hätte der Titel dieses Artikels sowas wie "Ich dachte, ich wüßte was wichtig ist aber ihr werdet nicht glauben, was ich herausfand als ich mal länger drüber grübelte!" lauten müssen.

Das sind die Titel der Leute, die sagen, die Internetwährung sei Aufmerksamkeit. Aber das ist ein Irrtum. Nicht etwa, dass Aufmerksamkeit eine Internetwährung sei. Sie ist aber weder die einzige noch die stabilste.

Es gibt nicht nur eine Währung

Was ist eine Währung? Es ist ein Tauschmittel, das einen anerkannten, aber ständig neu ausgehandelten Wert darstellt. Im Gegensatz zur materiellen Welt ist das Internet nicht endlich. Es gibt keinen Ort, es gibt keine Entfernung. Ein Inhalt, der sich darin befindet ist immer gleich weit entfernt - egal ob der Ersteller viel oder wenig Aufwand für die Erstellung betrieben hat. Mengen und Größen verdrängen keinen Platz. Das selbe gilt für die Währungen: Die Menge der jeweils verfügbaren Werteinheiten ist im Gegensatz zu materiellen Währungen nicht limitiert.

Währungen im Internet gibt es wahrscheinlich mehr, als ich mir vorstellen kann. Einige sind allerdings wichtiger für die Allgemeinheit, viele sind es dagegen nicht. Ein wenig wie Weltwährungen und Landeswährungen. Ich rede in diesem Artikel nur von den Weltwährungen.

Zwei wurden schon erwähnt: Aufmerksamkeit und Relevanz. Eine dritte ist Beteiligung oder auch Engagement.

Aufmerksamkeit!!!EINS!!!ELF!!

Was gerne von Agenturen gefeiert wird: Wenn man es schafft, dass alle über das eine, große Ding sprechen, mit dem man es in sämtliche Timelines geschafft hat. Inzwischen ist das dazugehörige Seeding auch so professionalisiert, dass man - gesetzt den Fall man hat einen zumindest einigermaßen geeigneten Inhalt - wirklich einen so guten Aufschlag hinbekommen kann, dass die Nutzer es gar nicht mehr schaffen, ein so gepushtes Viral nicht zu sehen.

Wir erinnern uns an "Supergeil" und "First Kiss"? Haben wir alle gesehen. An dem Tag, als es veröffentlicht wurde.

Beim ersten Mal wars noch nett, oder? Aber wie fanden wir die nach einem halben Tag, nachdem diese Videos zum gefühlt hundertsten Mal in der Timeline erschienen sind?

"Zu viel Aufmerksamkeit kann es gar nicht geben und die falsche auch nicht" wird ja gerne erklärt. Dass ersteres nicht stimmen kann ist schnell erkannt, wenn man die genervten Posts und Kommentare sieht, die nach kurzer Zeit die Begeisterung über ein gutes Viral ersetzen.

Bei zweiterem ist es schwieriger, das zu erklären. Es wird immer diejenigen geben, die auch genervte Reaktionen mit "Hauptsache Aufmerksamkeit" quittieren oder gar vermuten, dass das ja "so gewollt ist". Aber eigentlich ist die Sache klar: Negatives Sentiment ist und bleibt negativ. Wer weiß, wie teuer, anstrengend und zeitaufwändig es ist, einen ruinierten Ruf zu reparieren oder verlorenes Vertrauen wiederzubekommen kann das den Pseudostrategen mal aufrechnen, die meinen, mit Negativschlagzeilen oder einer fehlgegangenen Provokation im Mittelpunkt zu stehen hätte auch seinen Wert.

Aumerksamkeit ist eine schnelle, unstabile Währung. Sie ist nicht selten alles andere als nachhaltig und so schnell verflogen wie sie kam. Sie geht den Leuten schnell auf die Nerven (und veranlasst sie, mal nach unangenehmen Details zu recherchieren). Und die eigentliche Wirkung ist eher so meh. Ich wage zu bezweifeln, dass der Klamottenladen, den das "First Kiss"-Video bewerben sollte, dadurch wirklich mehr Kunden bekommen hat. Ach so, da gings um einen Klamottenladen?

Engagement

Engagement ist - vielleicht leider - nicht die Währung mit den größten Gewinngarantien. Zumindest nicht direkt. Wer Engagement erzeugt, kann damit aber sehr viel mehr erreichen als alleine mit Aufmerksamkeit.

Wenn sich eine Firma im Netz für eine wichtige Sache engagiert (ich spreche von ehrlichem Engagement, nicht von einem werbewirksamen Pseudoegagement) kann sie viel bewirken. Engagement zahlt in so viele wichtige Werte ein, die man so gerne in Marken "laden" will, was mit reiner Postulation und emotionalisierender Werbung einfach nicht (mehr) funktioniert. Und wenn das Engagement anerkannt, geteilt und durch sich mitengagierende Menschen verstärkt wird, hat man etwas sehr nachhaltiges und gutes geschaffen.

Ich mache dieses Kapitel kurz: Wenn ich etwas gelernt habe, dann dass diese Art der Markenbildung, die eigentlich super funktioniert, zu oft in den Mühlen der viel zu kurzfristigen ROI-Rechnungen und Jahreszielvereinbarungen untergeht.

In etwas kleineren Dimensionen gibt es auch in sozialen Medien Engagement: Ich meine damit aber nicht die Like und Share-Zahlen und die Zahl der Kommentare. Dass das keine sinnvollen KPI sind hab ich im vorletzten Artikel schon beschrieben.

Ich spreche davon, dass eine Firma durch einfache, ehrliche, authentische Kommunikation einen grundsätzlichen Gewinn macht. Nicht all zu hoch, aber stetig und immer positiv. Diese Art des sich engagierens ist so ein bisschen die Sparbuch-Währung des sozialen Netzes. Sie kann nie Schaden, sie wird immer nutzen und sich rechnen, sie wird aber auch nie die großen Sprünge erlauben.

Relevanz

Womit wir bei der eingangs als stabilste Währung des Internet genannten Währung sind.

Relevanz ist etwas großartiges. Relevanz kann man nicht bekämpfen. Gegen Relevanz kann man nicht konkurrieren. Wer sich um Relevanz bemüht, wird Fürsprecher, Multiplikatoren, Freunde und Fans gewinnen.

Relevanz ist eine Metawährung: Sie funktioniert in sozialen Medien, wenn man seine Kommunikation relevant hält. Sie funktioniert auf der Corporate Site wenn man Inhalte bereitstellt, die benötigt werden, weiterverwendet werden können, Transparenz schaffen, dem Kunden wirklich nutzen und helfen. Relevante Inhalte erzeugen dann wieder relevante Kommunikation. Relevante Kommunikation wird dann wieder helfen, herauszufinden, welche Inhalte man als nächstes benötigt und daher erzeugt werden sollten. Ein wunderbarer Prozess, wenn man ihn richtig aufgesetzt hat.

Relevante Inhalte und relevante Kommunikation wird in Suchmachinen besser gefunden.

Und damit auch die damit verknüpften Produkte, die - hoffentlich - ebenfalls relevant für diejenigen sind, die in Suchmaschinen danach suchen.

Daher: So ausgelutscht das Buzzword "Content Management" ist, so sehr stimmt die Theorie dahinter. Nur ist es witzigerweise so, dass sie im Netz schon seit 20 Jahren stimmt. Willkommen im Internet, ihr Spätzünder-Agenturen.

Hier, nehmt euch nen Keks.