Warum ist es für Firmen so schwer, vernünftig zu sein?

Warum ist es für Firmen so schwer, vernünftig zu sein?

Gleich mal die Antwort für ungeduldige: Ich hab keine Ahnung. Ich beobachte lediglich seit mindestens 15 Jahren, wie sich einerseits die beklopptesten, teuersten, kompliziertesten und am Ende bestenfalls völlig wirkungslosen, schlechtestenfalls (für einen selbst oder auf Kosten anderer) zerstörerischen Vorgehensweisen und Strategien durchsetzen und andererseits jeder Vorschlag, der eigentlich mit ein wenig gesundem Menschenverstand völlig offensichtlich und nachvollziehbar sein sollte der erste ist, der als wahlweise illusorisch, nicht ins Geschäftsmodell passend, "nicht zuende gedacht" (mein Liebling bisher) oder als sonstwie völlig abwegig verworfen wird.

Vielleicht noch banaler. Es gibt sehr viele einfache und grundsätzliche Regeln, die sich tausendfach bewährt haben:

Angst ist ein schlechter Ratgeber.
Ehrlich währt am längsten.
Tue Gutes und rede darüber.
Kommunikation ist keine Einbahnstraße.
Was du nicht willst was man Dir tu (...).
Wie man in den Wald hineinruft so schallt es heraus.
Scheiße stinkt auch dann noch, wenn man sie vergoldet.
Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt muss der Prophet zum Berg.
Don't be a dick...

Kommt rüber, was ich meine?

Prozesse aus der Gruselkiste

Was mich seit rund zwanzig Jahren Berufsleben und fünfzehn davon speziell in Bezug auf Internet regelmäßig in den Wahnsinn treibt ist, dass es - speziell hier in Deutschland - anscheinend ein extrem wichtiges unternehmerisches Grundprinzip ist, genau diese Ratschläge und damit den dahinter stehenden gesunden Menschenverstand zu ignorieren.

Ja schlimmer noch: Ich habe zuweilen den Eindruck, dass man sich ganz bewusst entscheidet, es jetzt einfach mal völlig ohne diese Binsenweisheiten zu versuchen.

Da werden komplizierte Verträge entworfen, aus denen man kaum mehr herauskommt. Man muss auch dann für den Support bezahlen, wenn der Dienstleister einen Fehler verursacht. Und man häuft Stapel von langen Prozessen und Abläufen auf, die versuchen sollen, all die Entscheidungen gegen den gesunden Menschenverstand irgendwie zum Funktionieren zu bringen.

André schrieb vor einiger Zeit einen Beitrag, in dem er die Rückständigkeit der gängigen deutschen Businessphilosophie mit der amerikanischen verglich. Ich folge ihm da zwar nicht komplett bis zu seinem Fazit, dass die da drüben alles viel toller machen, aber ein paar dieser Basics scheint man dort durchaus besser zu verstehen, zum Beispiel dass man Vertrauen durch Ehrlichkeit verdient:

Das Konzept dahinter ist so simpel, dass man sich wundert, warum man es überhaupt erklären muss. Im Grunde könnte man es so zusammenfassen: Verarsche deine Kunden nicht!

Woran merken deutsche Konsumenten, dass die Bahncard oder der Handy-Vertrag abgelaufen ist? Richtig: An dem Glückwunschschreiben der Bahn oder des Mobilfunkanbieters, dass man sich wiederum für x Jahre verpflichtet hat und man froh ist, uns als Kunden behalten zu haben. (...) Speziell die deutsche Wirtschaft verdient gerne daran, Kunden in das offene Messer laufen zu lassen, mit der Folge, dass die Fluktuation an der Konsumentenbasis regelmäßig durch die Decke geht.

Ein deutscher Telekommunikationsanbieter zahlt heute 150-200 Euro an Marketingkosten pro Neukunde. Ein wenig Ehrlichkeit und sauber verdientes Vertrauen gibt nicht nur den Nutzern ein besseres Gefühl, sondern befeuert auch das Empfehlungsmarketing massiv.

Wir machen das mit den Fähnchen

Ich stolpere stattdessen immer wieder über die "hidden Agenda":

"Wie können wir den Kunden dazu bringen, dass er... etwas tut, was er gar nicht will" oder "Ich möchte nicht, dass er kündigt, also... ". Und dann kommen elaborierte, völlig komplizierte undaufwändige Pläne und Taktiken, die mit Tricks und Werbung mit gerade noch so legalen Halbwahrheiten gespickt sind, deren Aufdeckung das ganze Komplott entlarven würde, weshalb man sich noch kompliziertere Wege ausdenkt, diese zu verschleiern.

Warum glaubt man, dass das der Weg ist, wie's gemacht wird? Menschen sind nicht doof und sie finden es entweder doch heraus oder kaufen es notgedrungen, trauen einem aber danach keinen Meter über den Weg, weil sie zumindest halbwegs ahnen, dass das alles eigentlich großer Bullshit ist.

Ist es wirklich zielführend, diesen Aufwand zu betreiben, um Kunden eine schlechte Erfahrung zu geben und dann irrsinnige Summen in Image-Werbung zu stecken, damit sie einen wieder lieb haben?

Und daher ist meine noch immer unbeantwortete Frage: Warum versucht mans nicht erst mal vernünftig?