Frech sein, aber wie?
Humor ist ja immer so ne Sache, gerade hier in Deutschland. Und gerade in der Werbung. Einerseits hat man hier tatsächlich sehr viel Angst davor, sich mit einem Scherz bei irgendeiner Nutzergruppe unbeliebt zu machen, andererseits scheint es mir oft, dass Kreativagenturen besonders gerne mit genau der Sorte Humor arbeiten, die heute zu recht nicht mehr zeitgemäß ist: Schadenfreude, Herabwürdigungen und Klischees, die so alt und unlustig sind, dass die geringste Reaktion darauf ein müdes Augenrollen ist.
Der richtige Zeitpunkt, um mit den Augen zu rollen ist, wenn mal wieder im Brainstormmeeting giggelnd irgendwelche Chauvisprüche entwickelt werden oder der italienische Akzent für den Kaffee vorgeschlagen wird. Wenn zu irgendwas der Begriff "low hanging fruits" gilt, dann hier. Nur, dass diese Früchte auch schon alle ordentlich vergammelt sind. Denn es kommen Witze heraus, die nach unten treten.
Erstaunlicherweise habe ich - wenn ich das anmerkte - oft gehört, dass es ja dann fast nicht möglich sei, Witze mit Klischees zu machen, es fühle sich ja sofort irgendwer angegriffen: Frauen und Mütter, Ausländer, Religiöse, Vegetarier, Schwule... und man könne ja bald über gar nichts mehr Witze machen.
Komisch, sage ich dann immer, Die Daily Show zum Beispiel und viele der wirklich guten US-Comedyserien schaffen das auch: Dort gibt es keine herabwürdigenden rassistischen Witze, keinen Sexismus, keine Ausländerfeindlichkeit, nicht mal Witze, in denen sich über zu viel Gewicht oder doofe Frisuren lustig gemacht wird. Und doch sind diese Sendungen viel witziger als alle deutschen Sketchprogramme zusammen. Wie kommt das nur, wo diese Programme doch offensichtlich alle "Einschränkungen" der verpönten Political Correctness einhalten?
Es liegt daran, dass nicht das Thema das Problem ist. Und nicht einmal die Klischees sind das Problem. All die Themen, mit denen Frauen, Ausländer, Behinderte, Nerds, Tiere, Schwule, Kinder, religiöse Menschen konfrontiert sind, kann man - auch und vor allem mit Humor - aufgreifen. Das macht den Humor nicht automatisch gefährlich.
Klischees und Trittrichtung
Was Witze gefährlich macht, sind zwei Dinge:
Zum einen die plumpe Kolportierung und Bestätigung von dummen Klischees. Mit Klischees arbeiten ist selbstverständlich möglich, aber dann sollte man es auch richtig machen und mit ihnen brechen. Ein Blondinenwitz als Werbemittel ist heutzutage nur nervig. Ein Witz, der das Klischee des dummen Blondchens aber aufgreift und statt zu bestätigen, damit bricht, wird gut ankommen und der Gag wirkt auch noch intelligenter.
Zum anderen, wenn sie, wie schon erwähnt, nach unten treten. Am besten funktioniert Humor, wenn man gemeinsam lacht. Und zwar entweder über sich selbst - gerade in sozialen Medien ist Selbstironie einer der größten Sympathiebringer - oder über Dinge und Menschen, die in einer gewissen Opposition zu einem selbst und seiner Zielgruppe stehen.
Bei letzterem mache ich die Zuschauer und Leserinnen aber zu meinen Komplizen und daher muss ich an dieser Stelle mehr Acht geben: Nämlich darauf, wer und was am anderen Ende des Witzes steht. Die wichtigen Fragen, die es hierbei immer zu beachten gilt, sind "Worüber mache ich mich lustig?" und "Tritt mein Humor nach unten oder nach oben?" Die Antworten darauf muss man sich sehr bewusst machen und immer parat haben.
Nach unten treten ist immer in irgendeiner Form diskriminierend. Keine Ausnahme: Man macht sich damit lustig über Eigenschaften, die das Opfer des Witzes beleidigen und lächerlich machen und das Ziel sind Menschen, die sich nicht wehren können oder auf die man hinabblicken will: Sehr gerne lacht man zum Beispiel in Deutschland über Menschen, die nicht viel Bildung genossen haben und in prekären Verhältnissen leben. Deutsche Comedians machen erstaunlich gerne erniedrigende und ausgrenzende Witze über Ausländer, Frauen und Behinderte. Oder, wenn man auf Nummer sicher gehen will, wird auch mal das Ziel noch enger gefasst und disst Mütter, Dicke, Veganer oder Nerds auf der persönlichen Ebene. Und das Publikum, das sich für einen Moment überlegen und besser als "die da" fühlt, lacht darüber.
In sozialen Medien kommt man mit solchen Witzen - zum Glück - nicht mehr so leicht durch, denn die Opfer dieser Witze können sich dort direkt und sofort äußern und laut werden. Und das ist gut so, denn diese Art von Stammtisch-Humor muss endlich aus dem Instrumentarium des Marketings verschwinden, so wie es mit rassistischen und antisemitischen Witzen geschehen ist.
Nach oben treten hat zunächst denselben Effekt auf das Publikum - es kann über jemand anderen lachen. Für einen Moment spürt es die Befriedigung darüber, überlegen zu sein. Diesmal aber gegenüber jemanden, der normalerweise ihm überlegen ist: Wirtschaftsbosse, Politiker, Banken, Menschen mit Einfluss und Geld. Ignoranten und Menschen, die machen können, was wir nicht tun könnten und damit durchkommen. Was uns ärgert, weil sie sich nicht darum scheren, welche unserer moralischen Ansprüche sie verletzen.
Nach oben treten bedeutet, sich mit Schwächeren zu solidarisieren. Nach unten treten dagegen, sie zu entzweien.
Man darf auch gratwandern
Wirklich gut wird Humor dann, wenn er zuende gedacht wird. Um das zu verdeutlichen, habe ich hier mal ein Beispiel, das zwar durchaus eine gehörige Provokation enthält, aber darin doch alles richtig macht:
Der Kontext ist Arbeit in einer Metzgerei. Das heißt, die Zielgruppe ist eindeutig abgesteckt. Der Humor ist zwar "grenzwertig", aber beleidigt niemanden und beinhaltet auch eine Portion Selbstironie. Die Provokation geht an Vegetarier und Veganer, natürlich. Aber die werden hier nicht erniedrigt oder ausgelacht, sind somit auch nicht das Ziel von Spott oder Häme.
Wie wichtig hier der Kontext ist, ist hoffentlich offensichtlich: Eine Metzgerei wird von Menschen, die gegen Fleischkonsum und -verarbeitung sind, ohnehin schon nicht gemocht. Das bedeutet, dass der Scherz hier keinen ohnehin schon vorhandenen Status Quo verletzt. Hier spielt man selbstreferentiell mit einem Wortspiel, es bleibt innerhalb der Welt, in der man arbeitet und seine Kunden hat.
Natürlich ist es am Ende Geschmacksache, ob man das lustig findet oder nicht. Aber die Überlegung, wie man mit Klischees und Trittrichtung umgeht, ist hier gelungen und wenn das der Fall ist, darf man auch an Geschmacksgrenzen rütteln und provokant sein.
Oder kurz: Man muss das Handwerk beherrschen, dann schafft man auch Kunstwerke.