Die Angst des Managers vor dem Shitstorm

Die Angst des Managers vor dem Shitstorm

Wenn man sich als Unternehmen in den sozialen Medien beteiligt, ist das Kommunikation mit Megafonen auf dem vollen Marktplatz. Mit Megafonen auf Menschen einquatschen ist klassische Werbung zwar oft auch, aber bei Werbung haben die Empfänger nicht auch Megafone in der Hand, um gegebenenfalls zurückzuschreien. Außerdem hören nicht auch automatisch alle umherstehenden, was ihre Mitmenschen zu sagen haben.

Manager haben normalerweise zwischen sich und dem Kunden sehr viele Wände, die den Lärm der Straße dämpfen: PR-Abteilungen, Marketing, Agenturen, Supportabteilungen usw. Wenn die ihre Arbeit alle gut machen, wird er nie mitbekommen, was draußen über seine Firma geredet wird. Wenn es Social Media gibt und sie schlau sind, bekommen sie zumindest eine regelmäßige Auswertung, in der steht, über welche sie betreffenden Themen gerade im Netz gesprochen wird.

Aber auch dann werden sie von jeder Eskalation überrascht werden, wenn die plötzlich direkt durch die Wände zu ihnen durchdringt. Und viele haben Angst davor: Das könnte ja dann der vielbeschworene Shitstorm sein und der Mob steht mit Fackeln und Mistgabeln direkt vor der Bürotür.

"...und deswegen machen wir erst mal alles falsch."####

Was tut man also als erstes, wenn es mal ungewohnt laut wird? Die Tür abschließen, die Polizei rufen und sich unterm Schreibtisch verkriechen.

Tür abschließen ist natürlich hier: Kritik wegmoderieren und löschen. User blocken. Extrem formell werden, um Distanz zu schaffen.

Polizei rufen: Mit rechtlichen Schritten drohen, Abmahnungen verschicken, auf das "Hausrecht" hinweisen und Konsequenzen für Nichtbeachtung ausrufen.

Unterm Schreibtisch verkriechen: Einfach gar nicht mehr reagieren und abwarten, bis alle wieder nach Hause gehen.

Selbstverständlich funktioniert davon nicht eine einzige Maßnahme deeskalierend - im Gegenteil.

Der eigentliche Shitstorm entsteht nicht aus Kritik...####

Was wir einen Shitstorm nennen ist im Normalfall nicht, dass jemand eine Kritik äußert und eventuell viele andere Menschen dieser Kritik zustimmen oder teilen. Wenn ein Produkt nicht richtig funktioniert oder ein Kunde ein Problem hat ist das für ihn ärgerlich. Dass er für seine Beschwerde Solidarität von Freunden bekommt, ist eigentlich schon immer so gewesen, nur dass man das in sozialen Medien eben öffentlich sieht, da deren System entsprechende Bekundungen ermöglicht und sichtbar macht.

Dass man also heute eine vormals privater stattgefundene Konversation über ein Produkt oder eine Firma öffentlich sieht ist ein Umstand, an den man sich gewöhnen muss. Hier panisch zu reagieren ist unnötig, im Gegenteil: Im Gegensatz zu früher bekommt man ja endlich mal etwas von den Problemen mit, die Kunden so haben und man kann sogar schnell etwas dagegen tun.

Also gegen die Probleme, nicht gegen die Kunden.

Natürlich wird man nicht jeden Kunden glücklich machen, aber auch das ist ja nicht so überraschend. Manchmal muss man ihm das auch sagen und manchmal beschwert er sich dann auch weiterhin. Das passiert und - ich wiederhole mich - ist nichts neues, abgesehen davon, dass er das inzwischen etwas publiker machen kann als früher.

Wenn das alles aber bekannte Vorgänge sind und Firmen seit eigentlich schon immer den Tradeoff zwischen Support/Problemlösung und zu hohem Aufwand/Kunden gehen lassen kennen und aushalten, warum haben ihre Manager plötzlich so viel Angst vor der öffentlichen Kritik? So viel auch noch, dass sie sowas schon als Shitstorm wahrnehmen?

... sondern aus den falschen Reaktionen auf Kritik####

Außer Kontrolle gerät eine Diskussion über Kritik nicht, wenn man sich ernshaft damit beschäftigt. Nutzer werden nicht ungehaltener, wenn man sich um eine Lösung oder zumindest um einen Kompromiss bemüht.

The Shit Hits The Fan, wenn man das nicht tut. Schauen wir uns die Konsequenzen aus den Reaktionen an, die ich weiter oben angedeutet habe:

Tür abschließen: Löschen und die Konversation der Nutzer einschränken kann man ja nur auf seinem eigenen Hometurf. Das ist aber der kleinste Fleck auf dem Markplatz. Außerdem läßt sich sowas auch noch prima dokumentieren und es ist für die Öffentlichkeit der Beweis, dass was dran ist an der Kritik.

Polizei rufen: Den starken Mann spielen funktioniert in sozialen Medien drei mal nicht. Auf dem Markplatz sind alle gleich groß und wenn sich dort jemand als Macker aufspielt stehen ihm plötzlich nicht mehr nur ein Nutzer gegenüber sondern hunderte (oder tausende). Formelle Distanz gewinnen geht auch nicht - wer das bei jemandem Versucht, der direkt vor einem steht, wird dann eben noch viel lauter angeschrieen.

Und unterm Schreibtisch verkriechen geht auch nicht: Das wäre, wie sich die Augen und Ohren zuzuhalten in der Hoffnung, dass einen niemand mehr sieht und hört. Die Menschen wollen aber eine Reaktion sehen und erhöhen bei Firmen, die sich plötzlich stumm stellen, den Druck so lange, bis sie kommt.

Der Shitstorm ist also im Normalfall das Ergebnis der falschen Reaktion auf Kritik. Und damit in den meisten Fällen völlig vermeidbar.

Aber erzähl sowas mal Menschen, die den ganzen Tag nur auf sich verändernde Zahlen schauen, statt auf sich verändernde Kommunikation.